Etwa gegen 15.30 Uhr traf eine Nachricht aus Edewecht ein: Ein Volk war in einen Privatgarten geschwärmt und der nette Hauseigentümer fragte danach, ob der Schwarm vielleicht abgeholt werden könnte. Natürlich! Also ging es wieder mit der Schwarmfangkiste los. Im Garten wurde sofort klar: Hier stimmt etwas nicht. Die Bienen saßen nicht in einer Traube um ihre Königin, sondern waren im ganzen Garten verstreut. In der Buchenhecke, unter der Regenrinne der Garage und am Wassertank. Was tun?

Erst einmal überlegen. Was war hier passiert? Die Bienen mussten am selben Tag geschwärmt sein, denn der Gartenbesitzer berichtete von einer Wolke von tausenden von Insekten in der Luft. Auch wenn die Masse der Tiere unter der Garage zu sitzen schien, wirkt der Standort in der Hecke doch als der eigentliche Ort, an dem sich die Traube zuerst niedergelassen haben musste. Die meist noch nicht so flugbereite Alt-Königin setzt sich ja oft an einer Stelle nieder, bevor ein paar Meter entfernt das eigentliche „Biwak“ aufgeschlagen wird, von dem aus die Suche nach einem neuen Zuhause beginnt. Da die Tiere in der Hecke deutlich kompakter saßen, lautete die Vermutung also: Wenn die Königin noch da ist, dann vermutlich hier.

Also wurde dieser Teil des Schwarms zuerst in die Kiste eingeschlagen. Dann ging es an der Regenrinne und dem Wassertank weiter. Erst einmal ganz vorsichtig vorsuchen, die Bienen in einen sauberen Eimer zu fegen und schnell noch zu den anderen zu geben. Dann das Mini-Flugloch des Kastens öffnen und abwarten, ob die anderen Bienen sich auf den Kasten zubewegen. Denn wäre die Königin dabei, sollten die vorhandenen Bienen ihre Schwestern durch Sterzeln über den den aktuellen Standort informieren.

So richtig geschah aber leider nichts. Also weiter einzelne Grüppchen und Träubchen von Bienen einsammeln, vor das kleine Flugloch fegen und schauen was passiert.

Das Bild war uneinheitlich: Manche Bienen wollten in den Kasten, aber andere wollten wieder heraus. Leider ein Indiz dafür, dass die Königin nicht dabei war.

Und dann war da noch dieses Geräusch.

Es schien aus der Regenrinne zu stammen. Ein tiefes Summen. Aber es waren keine Bienen mehr zu sehen, nur noch vereinzelt ein paar Arbeiterinnen. Oh oh – da mussten also noch etliche unter der Regenrinnenabdeckung sitzen! Acht losgelöste Sechskantschrauben später war die Lage klar: Noch einmal etwa diesselbe Menge Bienen wie schon zuvor eingesammelt, saß unter der Abdeckung der Regenrinne versteckt. Somit ging das Spiel also von Neuem los: Vorsichtig mit dem Bienenbesen auffegen, in die Kiste heben und schauen, was passiert.

Nach insgesamt über zwei Stunden machte es keinen Sinn mehr, noch einzelne Bienen aufzusammeln. Also traten die Bienen den Weg nach Oldenburg an. Vielleicht würde sich ja über Nacht die übliche Schwarmtraube bilden und damit ein Zeichen erkennbar sein, dass die Königin doch noch irgendwie an Bord war. Doch der nächste Morgen brachte Enttäuschung: Alle Bienen saßen lethargisch und wie ausgeschaltet an der Stelle, wo sie am Abend vorher noch gewesen waren. Ein Plan B musste her!

Plan B erschien in Gestalt von unserem Mit-Imker Benno Lucas. Der züchtet nämlich Königinnen – und er hatte noch eine (unbegattete) Jungkönigin. Mit dem Rad wurden sie und ihr kleiner Hofstaat abgeholt und zum Schwarm gebracht. Dann begann das Basteln: Damit die vielen Bienen die nicht nach ihnen riechende Jung-Königin akzeptierten und nicht töteten, wurde noch eine Vorsichtsmaßnahme ergriffen: Die eine Seite des Kästchens wurde mit Zeitungspapier abgeklebt. Durch die beißen sich die Tiere in ein paar Stunden hindurch und in dieser Zeit gewöhnen sie sich besser an den Geruch der neuen Königin.

Die Reaktion der Schwarmbienen war erst einmal freundlich aber zurückhaltend. Es wurde leise gebrumselt und sanft mit den Flügeln gefächert, als die neue Königin zu ihnen gestellt wurde. Aber darüber hinaus: Lethargie. Auch am frühen Abend hatte sich das Bild nicht wesentlich geändert. Zwar saßen tausende Bienen um das nun offene Kästchen der Königin. Aber insgesamt wirkte das Volk wie „ausgeknipst“. Das war der Moment, alles gelernte Imkerwissen über Bord zu werfen und etwas anderes auszuprobieren. Reizfütterung! Flugs in den Vorratsraum und ein Glas eigenen Honigs besorgt. Als hätte man ein Streichholz auf einen Bezinkanister geworfen… Es kam sofort Leben in die Bienen. Ein Pfund Honig waren in Nullkommanichts verzehrt. Da es bereits später Abend war, endete hier aber erst einmal der zweite Tag des Schwarms.

Am nächsten Morgen sah alles perfekt aus: Die Bienen wirkten lebendig und ballten sich um die neue Königin. Also wurde in drei Metern Höhe an der Hauswand alles für den Einlauf in den „Schiffertree“ vorbereitet. Dem Schwarm war sofort klar, was zu tun ist: Wie von einem unsichtbaren Magneten angezogen, setzten sich die auf das helle Brett geschüttete Bienen schnurstraks Richtung Flugloch des Schiffertrees in Bewegung. Sogar die neue Königin konnte kurz gesichtet werden! Sie tauchte in der Masse ihrer neuen Arbeiterinnen aber gleich wieder unter und krabbelte ebenfalls Richtung Beuteneingang. Gut vier Stunden dauerte der Einzug in das neue Zuhause.

Für den Augeblick ist nun erst einmal alles gut. Der Schwarm hat trotz des Verlusts seiner Alt-Königin überlebt. Er ist sicher in seiner neuen Beute. Aber die Geschichte ist noch nicht beendet. Denn die neue Königin ist ja eine unbegattete Jungkönigin, muss sich also noch einmal auf den Hochzeitsflug machen. Und genau nun trübt sich das bisher schöne Maiwetter ein und es kommen ein paar Tage mit Regen, Kälte und Sturm. Außerdem gibt es da ja noch Libellen, Hornissen, Schwalben… Zum Glück sind Jungköniginnen exzellente Fliegerinnen und werden zudem von einer Staffel erfahrener Flugbienen eskortiert. Daher liegt die Erfolgsrate nun bei 80 Prozent. Alle Daumen sind gedrückt – und bei über 10.000 Tieren und jeweils sechs Gliedmaßen sind das eine Menge Daumen….